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"Extrem russlandfreundliche Einstellung" – Vertriebsleiter einer US-Firma wegen Spionage verurteilt

Ein Mann aus Erkrath bei Düsseldorf hatte einem russischen Militärattaché jahrelang Informationen geliefert. Sie waren nicht geheim, sondern öffentlich zugänglich. Mit seinem Drang, sich auf diese Weise bei den Russen "beliebt zu machen", habe er laut dem Gericht den Interessen der USA und Deutschlands geschadet.
"Extrem russlandfreundliche Einstellung" – Vertriebsleiter einer US-Firma wegen Spionage verurteiltQuelle: www.globallookpress.com © imago stock&people

Ein ehemaliger Mitarbeiter einer US-Firma und inzwischen entlassener Reserveoffizier der Bundeswehr ist als Spion im Dienste Russlands schuldig gesprochen worden. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht verurteilte den 66-Jährigen am Freitag wegen angeblicher geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einem Jahr und neun Monaten Haft auf Bewährung. Der im Nadelstreifenanzug erschienene Angeklagte nahm das Urteil äußerlich regungslos zur Kenntnis.

Laut Gericht habe der Mann aus Erkrath bei Düsseldorf dem russischen Militärgeheimdienst GRU jahrelang Informationen geliefert – unter anderem über das Reservistenwesen der Bundeswehr und die Auswirkungen der EU-Sanktionen gegen Russland nach der Krim-Annexion im Jahr 2014.

Er sei getrieben gewesen von einer "extrem russlandfreundlichen Einstellung und dem Drang, sich bei russischen Militärangehörigen beliebt und wichtig zu machen", sagte der vorsitzende Richter. Dabei habe er in Kauf genommen, den Interessen der Bundesrepublik und der USA zu schaden.

Die Versendung der Dokumente an einen russischen Militärattaché hatte der Angeklagte umfassend eingeräumt, den Vorwurf der Spionage aber bestritten. Ihm sei es um Frieden und Völkerverständigung gegangen, hatte der Vertriebsleiter einer US-Firma behauptet. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe war er von seinem Unternehmen freigestellt worden. Inzwischen ist er Rentner.

Die Kontaktanbahnung hatte die Bundeswehr selbst ermöglicht, in dem sie zum "Ball der Luftwaffe" im Februar 2014 auch den Militärattaché eingeladen hatte, der laut Bundesanwaltschaft ein Geheimagent des GRU ist. Dort hatten sich die beiden Männer kennengelernt. Es folgte eine jahrelange Weitergabe von Informationen, vor allem per E-Mail.

Die geheimdienstlichen Umtriebe des Erkrathers seien nicht etwa durch dessen Auffliegen, sondern durch das Desinteresse der russischen Seite nach einem personellen Wechsel zum Erliegen gekommen.

Der Verteidiger des Angeklagten hatte einen Freispruch gefordert. Die weitergegebenen Informationen seien nicht geheim gewesen, sondern allesamt öffentlich zugänglich. Dies ändere nichts an der die Strafbarkeit, befand dagegen das Gericht.

Der Mann habe Papiere zu den Cyberfähigkeiten der Bundeswehr, zur Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschland und eine Studie zum europäischen Rüstungssektor weitergegeben, obwohl er als Reserveoffizier jährlich schriftlich vor einer Ausspähung fremder Nachrichtendienste gewarnt worden sei.

Als Mitarbeiter eines US-Unternehmens sei er sogar noch besonders sensibilisiert worden. Dennoch habe er in Kauf genommen, den Interessen der Bundesrepublik und der USA zu schaden.

Als Belohnung habe er zwar kein Geld erhalten, aber Einladungen etwa zur Moskauer Sicherheitskonferenz. Die Kosten für Flug, Hotel und Transfer habe das russische Verteidigungsministerium getragen.

Dass es bei einer Bewährungsstrafe blieb, begründete das Gericht unter anderem wie folgt: Das Bekanntwerden der Vorwürfe habe den Erkrather "beruflich und privat" schwer getroffen. Er hatte ausgesagt, seine russische Ehefrau sei Gegnerin von Russlands Präsident Wladimir Putin und seit der Hausdurchsuchung in Therapie.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Deutsche Medien haben zuvor über das Verfahren ausführlich berichtet. Unter anderem zu der Frage, ob die Weitergabe öffentlich zugänglicher Informationen als Spionage eingestuft werden könne. So hob die Tagesschau besonders hervor, dass der Angeklagte Informationen über Verluste von Arbeitsplätzen aufgrund der Sanktionen weitergeleitet habe, und zitierte zusätzlich eine Aussage des Richters, die andeutet, was dieses Gericht bereits als Spionage betrachtet.

"Er hat aber eine Art Dienstleistung erbracht – Informationen zusammengestellt, seine Expertise eingebracht, auch Meinungen und persönliche Angaben gemacht", entgegnete Richter van Lessen. "Diese Informationen seien doch dazu geeignet gewesen, beim russischen Sender Russia Today eingesetzt zu werden."

Mit diesem Urteil hat sich also die Definition einer Spionagetätigkeit deutlich erweitert. Demnach könnte im Grunde jegliche intellektuelle Anstrengung, wenn sie kritische Standpunkte beinhaltet und beispielsweise auf der Webseite von RT DE veröffentlicht werden könnte, als Spionage ausgelegt werden. Auch die gesellschaftliche Kontaktpflege und der Informationsaustausch könnten nun durchaus unter diese Definition fallen. 

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(rt/dpa)

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