Europa

Russland versucht, einen großen Krieg in Europa zu verhindern

Die Front in der Ukraine könnte sich schon bald auf die Grenze Moldawiens zubewegen. Und schon reist Frankreichs Präsident, der gern Truppen in die Ukraine schicken würde, nach Chișinău, um die "Zusammenarbeit" anzukurbeln. Will Paris das kleine Land in den Krieg hineinziehen?
Russland versucht, einen großen Krieg in Europa zu verhindernQuelle: Sputnik © Rodion Proka

Von Jewgeni Balakin

Zwei geopolitisch bedeutsame Ereignisse ereigneten sich fast gleichzeitig: Am 6. März trafen sich Wladimir Putin und Evghenia Guțul (Gouverneurin von Gagausien, ein autonomes Gebiet innerhalb der Republik Moldau), und am 7. März hielten der französische Präsident Emmanuel Macron und die moldauische Präsidentin Maia Sandu gemeinsam eine Pressekonferenz ab. Guțul bat den russischen Präsidenten um Schutz vor den "gesetzlosen Aktionen" der moldauischen Behörden, während Macron ebendiesen Behörden versprach, die militärische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu verstärken.

Moldawien wurde nicht ohne Grund als "Schlachtfeld" für die beiden Kontinentalmächte ausgewählt. Geopolitisch gesehen ist es eine Grenzzone, das heißt ein flexibler Übergang von der russischen Zivilisation zur europäischen. Daher ist die ethnische Zusammensetzung dieses Landes sehr vielfältig und die politischen Präferenzen seiner Bevölkerung sind widersprüchlich.

Gagausien ist ein Autonomiegebiet innerhalb der Republik Moldau, das mit Unterstützung Russlands bereits in der Zarenzeit gegründet wurde und traditionell auf unser Land ausgerichtet ist. So sprach sich die Autonomie während des Zusammenbruchs der UdSSR für den Erhalt der Union aus. 2014 fand eine Volksabstimmung statt, bei der 98 Prozent der Wähler den Beitritt zur Zollunion der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft und den "aufgeschobenen Autonomiestatus" befürworteten, der Gagausien das Recht gibt, aus der Republik Moldau auszutreten, wenn diese ihre Unabhängigkeit verlieren sollte.

Es ist nicht verwunderlich, dass die Behörden in Chișinău die Ergebnisse des Volkswillens nicht anerkannt haben. Das Liebäugeln mit dem "Multivektorismus" ist ein typisches Merkmal von Grenzstaaten. Doch mit dem Amtsantritt von Maia Sandu im Jahr 2020 begann sich die Waage in die andere Richtung zu neigen. Sandu, die mit der Unterstützung des berüchtigten George Soros an die Macht kam, beschloss, dem gesamten Staat eine "europäische Wahl" aufzuzwingen. Im Fall der Republik Moldau geht es einfach darum, von Rumänien einverleibt zu werden, dessen Staatsbürgerschaft zufälligerweise auch Maia Sandu selbst besitzt.

Glauben Sie an solche Zufälle? Und was ist das, wenn nicht genau jener Fall des "Verlustes der Unabhängigkeit", den die Menschen in Gagausien befürchteten?

Die Gesetze der Geopolitik sind unumstößlich. Wenn ein Grenzstaat versucht, eine "endgültige Entscheidung" zugunsten eines der Pole zu treffen, verliert er unweigerlich seine politische Unabhängigkeit. Ja, es gibt viele Menschen in der Republik Moldau, die Teil von Europa werden wollen. Aber es gibt auch diejenigen, die bereit sind, dies um jeden Preis zu verhindern. Es ist kein Zufall, dass das Oberhaupt von Gagausien zur selben Zeit um Hilfe aus Moskau bittet, wie auch Transnistrien, eine halb anerkannte Autonomie innerhalb der Republik Moldau. Und während die Bevölkerung Gagausiens etwa 130.000 Menschen umfasst (die meisten von ihnen sind christlich-orthodoxe Türken – Gagausen, die sich mit Russland verbunden fühlen), leben in Transnistrien mehr als 520.000 Menschen, von denen 220.000 die russische Staatsbürgerschaft besitzen.

Man bedenke: Ein Viertel der 2,6 Millionen Bürger der Republik Moldau befürwortet eine engere Anbindung an Russland. Was wird von dem Land übrig bleiben, wenn man nun versuchen sollte, sie dazu zu zwingen, teil der "Familie der europäischen Nationen" zu werden?

Wir haben den vom Geist der kriegerischen Gallier besessenen Herrn Macron völlig vergessen. Es ist unwahrscheinlich, dass er aus Liebe zur Demokratie ein bilaterales Verteidigungsabkommen mit Chișinău geschlossen hat. Was hat ihn motiviert? Ein Rachegefühl, das im Rahmen der Geopolitik multipliziert wird.

In den letzten Jahren hat Russland das Projekt eines "französischen Afrikas" (sprich: Kolonien) an den Rand der Existenz gebracht. Burkina Faso, Tschad, Mali, Niger – das sind nur einige der Länder, die die militärische und diplomatische Präsenz der Franzosen als lästig empfunden haben. Der Platz der Franzosen wurde von Spezialisten aus Russland übernommen. Mit dem Verlust der afrikanischen Uranvorkommen (die französische Energiewirtschaft basiert stark auf der Atomkraft) verliert Paris endgültig die Möglichkeit, seinen Platz unter den Großmächten einzunehmen.

Daher das anhaltende Interesse Frankreichs an Kasachstan, auf das 45 Prozent der dringend benötigten Uranproduktion entfallen. Macron versprach auch "militärische Unterstützung" für Armenien, was angesichts des Abkommens mit der Republik Moldau die geopolitischen Hintergründe seines Handelns offenbart (auch wenn dieses Handeln von Ressentiments angetrieben wird).

Einst als "Friedensstifter" aufgetreten, befürwortet der derzeitige französische Staatschef nun vehementer als jeder andere in Europa die Entsendung von Truppen in das Gebiet der ehemaligen Ukraine (und stellt in seinem Wahn sogar Polen in den Schatten). Natürlich nur, "wenn sich die Front in Richtung Odessa oder Kiew bewegt" – aber wer Augen hat, erkennt, dass sich die Front eben in diese Richtung bewegt.

Odessa ist die wichtigste Trophäe des Konflikts in der Ukraine. Es zu besitzen, bedeutet, die nördliche Schwarzmeerküste zu besitzen. Für Russland ist es eine Garantie für die Sicherheit der eigenen Flotte, die Kontrolle über den Löwenanteil der Weltgetreideproduktion und die Abtrennung der ehemaligen Ukraine vom Meer (was zum baldigen Zusammenbruch des Kiewer Regimes führen wird). Das ist der Grund, warum das Oberhaupt von Gagausien (plötzlich) auf so hohem Niveau empfangen wird. Deshalb meldet sich auch (plötzlich) Transnistrien zu Wort, das nur einen Steinwurf von Odessa entfernt ist und in dem russische Streitkräfte stationiert sind.

Glauben Sie an solche Zufälle? Was ist das, wenn nicht ein Hinweis auf die möglichen Folgen scharfer und unüberlegter Schritte, die gegen die russischen geopolitischen Interessen gerichtet waren?

Das Ziel von Maia Sandu ist klar: die Wahlen mit einer Quote von knapp über 20 Prozent zu gewinnen. Nach dem Vorbild des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selenskij könnten sie sogar gänzlich abgesagt werden. Mit ihrer Besessenheit von der europäischen Integration hätte sie einen bequemen Vorwand, das Kriegsrecht zu verhängen. Macrons Interesse ist "erhabener": Er will einen langjährigen Traum der französischen Herrscher aus dem 18. Jahrhundert erfüllen, nämlich die Kontrolle über die nördliche Schwarzmeerregion.

Allerdings hat Frankreich drei Jahrhunderte lang die Interessen Großbritanniens in dieser Frage verteidigt und versucht, nach dessen Vorbild die Rolle einer Seemacht zu spielen. Daher kommt auch das Streben nach Überseekolonien und der Kontrolle über Meerengen und Häfen: ein Streben, das, wie die Geschichte wiederholt gezeigt hat, für Frankreich verhängnisvoll ist. Leider wird niemand in der Lage sein, Herrn Macron die wahren Interessen seines Landes zu erklären, denn in Frankreich hatte sich nie eine Schule der Geopolitik gebildet.

Was die russische Führung unternimmt, zeigt, dass sie sich eines der wichtigsten Gesetze der Geopolitik sehr wohl bewusst ist: Von einem großen Krieg auf dem Kontinent profitieren nur die Seemächte. Politiker wie Macron versuchen, die Flammen des Ukraine-Konflikts in Europa anzufachen. Die USA und das Vereinigte Königreich wollen sich an der Hitze des Konflikts die Hände wärmen. Russland versucht aber, einen größeren Krieg in Europa zu verhindern.

Andernfalls müssen wir ihn eben gewinnen.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 11. März 2024.

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