Gesellschaft

Gabriele Krone-Schmalz und die neue Eiszeit zwischen Russland und dem "Westen"

Die promovierte Politikwissenschaftlerin Gabriele Krone-Schmalz hat eine erweiterte und aktualisierte Auflage ihres Buches "Eiszeit. Warum Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist" verfasst. Ein Pflichtkauf für unsere Leser?
Gabriele Krone-Schmalz und die neue Eiszeit zwischen Russland und dem "Westen"© Imago

Von Kaspar Sachse

Seit dem Beginn des Ukraine-Krieges 2022 hat sich für die meisten Menschen im "Westen", bestätigt, warum "Russland dämonisiert" wird. Denn wie kann man nur ein unschuldiges Nachbarland überfallen? Doch kein Konflikt existiert ohne Vorgeschichte. Dieser geht die 1997 mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse für „die Qualität ihrer Fernsehberichterstattung" ausgezeichnete Journalistin Gabriele Krone-Schmalz auf den Grund und fragt danach, welche Politik unter den aktuellen Bedingungen gegenüber Russland verfolgt werden sollte – ohne gleich als "Putinversteher" oder Ähnliches tituliert zu werden.

Das Buch "Eiszeit. Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist" (25 €, Westend-Verlag Frankfurt, 320 Seiten plus Anhang) erscheint am 2. Oktober und ist brandaktuell – insbesondere auch mit Blick auf die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft: Bereits im ersten, komplett neu entstandenen Kapitel: "Eiszeit. 2023" stellt Krone-Schmalz Fragen, die im deutschen Mainstream nicht gestellt werden:

"Wie weit gehen wir denn in der Unterstützung der Ukraine, wenn wir damit den eigenen Interessen schaden, nicht nur wirtschaftlich, sondern mit Blick auf Krieg und Frieden? Was ist denn mit dem Eid, den Bundeskanzler und Minister bei Amtsantritt feierlich ablegen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden?" (S.16)

Darüber hinaus lässt die Autorin zahlreiche Stimmen erklingen, welche realistisch die Chancen aufzeigen, dass die Ukraine diesen Konflikt siegreich gestalten kann. Es sind fast immer vom Mainstream ignorierte oder "gecancelte" Militärexperten wie Oberst a. D. Ralph D. Thiele, der meint, "die russischen Verteidigungslinien sind exzellent befestigt". (S. 20) – alles Fakten, deren Weglassung oder Verdrehung in den GEZ-Medien Krone-Schmalz im weiteren Verlauf des Kapitels zu Recht kritisiert, und rekurriert auf Hannah Arendt, welche die "Pluralitätder Meinungen" (S. 40) als Motor einer funktionierenden Demokratie bezeichnete.

Im bereits 2017 verfassten Kapitel "Russlands Rückkehr" zeigt Krone-Schmalz zunächst auf, wie wenig der Westen und insbesondere die USA Russlands außenpolitische Interessen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion für voll genommen haben: Sowohl in Syrien als auch in der Ukraine – das führte bereits unter der Obama-Administration zu "Fassungslosigkeit und Unverständnis" (S. 48) in Washington – nach dem Motto: "How dare they?" Es folgt eine Rückblende in die 1990er Jahre und insbesondere das Wirken des IWF, dem nicht nur Krone-Schmalz, sondern auch Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt eine entscheidende Rolle bei der wirtschaftlichen Destabilisierung des Landes zuweist (S. 50).

Die Ära Jelzin war darüber hinaus von einem gigantischen "Braindrain" geprägt. Junge, akademisierte Russen verließen das Land in großer Zahl. An dieser Stelle sei explizit auf das Buch von Naomi Klein "Die Schock-Strategie: Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus" (2007) verwiesen. Auch in der ehemaligen DDR "durften" die Menschen Anfang der 1990er Jahre ähnliche Erfahrungen von Währungsverfall, Arbeitslosigkeit und Turbokapitalismus machen.

Nach dem Staatsbankrott Russlands 1998 schildert Krone-Schmalz das Wirken von Wladimir Putin – seit 1999 zunächst als Ministerpräsident – mit dem Ziel, "sein Land wieder auf die Beine zu bringen" (S. 55) – zunächst mit offenen Armen für den "Westen". Interessant ist die Passage über die "Revolutions-GmbH" (S. 64 – 103). Dabei bezieht sich Krone-Schmalz auf von Wikileaks (Bradley Manning) veröffentlichte Dokumente, die Auskunft über das katastrophale Wirken der US-Administration bei den Umstürzen in Serbien (2000), Georgien ("Rosenrevolution" 2003), der Ukraine ("Orange Revolution" 2004) sowie Kirgistan 2005 ("Tulpenrevolution") geben. Das alles waren und sind Staaten, die für Washington eine massive geopolitische Bedeutung haben, wie im weiteren Verlauf des Kapitels dargestellt wird – und wie Russland mit diesen unheilvollen Entwicklungen umgegangen ist.

Die Kapitel "Showdown", "Gut und böse" sowie "Wer bedroht wen?" zeigen vor allem die moralische Verkommenheit des Westens gegenüber Russland und zahlreichen anderen Staaten auf, ob Libyen, Libanon oder Jemen und besonders die Ukraine: Überall hängt der Westen mit drin und spielt knallhart seine Interessen gegen die der dortigen Bevölkerung aus. Ganz vorne mit dabei ist ein besonders "gutes" Land: die Bundesrepublik, welche sich die ewige "historische Verantwortung Deutschlands" (S. 192) als Staatsräson auf die Fahnen geschrieben hat. Die vor allem seit der Zeit der "Ampel" in Berlin pervertierte Rolle als Lehrmeister der Welt und gleichzeitig US-Büttel Nummer 1 mit dem Ziel Bringer von "Freiheit", "Werten" und "Demokratie" zu sein, zeigt besonders den Abstieg der "westlichen Werte" mit einer selbst verschuldeten Wirtschaftskrise nie gekannten Ausmaßes im Schlepptau auf. Feindbilder wie "der Russe" werden dann zwingend benötigt, um vom eigenen Versagen abzulenken.

Im Kapitel "Wandel durch Annäherung" (S. 272 – 306) geht die Autorin auf die Entspannungspolitik der SPD-Granden Egon Bahr und Willy Brandt näher ein und zitiert aus Bahrs berühmtem Vortrag an der Evangelischen Akademie in Tutzing. In dieser Rede brachte Bahr die Entspannungspolitik der Regierung Brandt auf die Formel "Wandel durch Annäherung". Er bezog sich damals auf die "Strategie des Friedens", die John F. Kennedy kurz vor seiner Ermordung in die Welt setzte.

Das Schlusskapitel ihres Buches hat Krone-Schmalz mit "Selber denken" tituliert. Darin bringt sie die mediale Situation in Deutschland prägnant auf den Punkt und beklagt, dass das Denken in Zusammenhängen in Deutschland ganz schnell als "Verschwörungstheorie" denunziert wird. Seit 2017 hat sich daran nichts geändert – ganz im Gegenteil: Schwarz-weiß-Denken und Verleumdung ("Cancel-Culture") haben noch deutlich zugenommen. Ideologie und Hypermoral sind nicht nur beim Thema Russland bzw. Ukraine-Krieg auf dem Vormarsch. Mit der Neuauflage ihres Klassikers hat Krone-Schmalz eindrucksvoll bewiesen, wie man dieser Entwicklung etwas entgegenhalten kann. Genau deshalb verlegt es der Beck-Verlag offenbar nicht mehr. Westend-Verleger Markus J. Karsten will das nicht hinnehmen und meint:

"Dass wichtige Bücher einer hochverdienten und erfahrenen Journalistin wie Gabriele Krone-Schmalz derzeit nicht lieferbar sind und deren wissensgesättigte Inhalte nicht in die öffentliche Diskussion gelangen, ist nicht gut für die Demokratie. Daher füllen wir diese Lücke."

Die vielfach ausgezeichnete ehemalige ARD-Korrespondentin in Moskau kennt das Land wie wenige andere und ist eine Stimme, die in dem russlandpolitischen Dialog nicht fehlen darf. Karsten betont deshalb: "Wir finden es sehr bedenklich, wenn unbequeme Stimmen aus den politischen Diskursen verbannt werden sollen." Leider mittlerweile trauriger Alltag, im "besten Deutschland, das es jemals gegeben hat" (Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, 2021).

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