Deutschland

Spätes Bauernopfer? Habecks Stellungnahme zur Entlassung von Staatssekretär Patrick Graichen

Nach wochenlangem Ringen um die Frage nach den Konsequenzen der sogenannten "Trauzeugen-Affäre", hat sich Wirtschaftsminister Robert Habeck nun doch für die Entlassung seines Staatssekretärs Patrick Graichen entschieden. Der Grund dafür sollen weitere Compliance-Verstöße Graichens sein.

Am Mittwoch hat sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf einer Pressekonferenz zur Entlassung seines Staatssekretärs Patrick Graichen geäußert. Am Morgen war zunächst nur die Entscheidung überraschend bekannt geworden. In den letzten Wochen waren Habeck und Graichen aufgrund dessen familiärer und freundschaftlicher Verbindungen im Zusammenhang mit der Vergabe von Posten und Geldern zunehmend unter Druck geraten.

Der Wirtschaftsminister hatte sich bislang hinter seinen Staatssekretär gestellt, auch mit dem Verweis darauf, dass es sich um einen einzelnen Fehler gehandelt habe und keine weiteren Verstöße gegen sogenannte Compliance-Richtlinien vorliegen würden.

Bei der Pressekonferenz musste Habeck hingegen weitere Verstöße einräumen. So verwies der Minister zwar auf den transparenten Umgang mit dem "Fehler" Graichens bei der Besetzung der bundeseigenen Deutschen Energieagentur (Dena) mit seinem Trauzeugen, und auch auf die zwischenzeitlich veröffentlichten Listen der Anträge und Zuwendungen, die das Öko-Institut und der Verein BUND vom Bundeswirtschaftsministerium erhalten haben, die seit dem Regierungswechsel 2021 nicht gestiegen seien.

Im Zuge einer kleinteiligen Prüfung sei jedoch ein Sachverhalt aufgetaucht, zu dem Habeck seit Dienstagabend ein Ergebnis vorliege, die nun zur Entlassung Graichens geführt habe.

So habe Graichen im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative in einer Vorstufe für eine Förderantragstellung am 30. November 2022 drei Projektskizzen gebilligt, von denen eine vom BUND-Landesverband Berlin stammte, mit einer Fördersumme von 600.000 Euro. Wie Habeck betonte, sei noch kein Geld "geflossen". Durch die Abzeichnung des Projektes als förderwürdig war die finale Förderentscheidung nur noch eine Formsache. Das Problem war nun, dass die Schwester von Patrick Graichen, Verena Graichen, Vorstandsmitglied im BUND-Landesverband Berlin ist. Und das stellt laut der internen Prüfung einen Compliance-Verstoß dar.

"Diese Vorlage hätte Patrick Graichen laut Compliance-Regel weder vorgelegt werden dürfen noch hätte er sie abzeichnen dürfen. Es muss schon allein der Anschein der Parteilichkeit vermieden werden, und das ist hier nicht eingehalten worden."

Ein weiterer Verstoß gegen die Compliance-Regeln sei die Berufung von Felix Matthes in die Expertenkommission des Energiewende-Monitorings durch Graichen gewesen. Auch hier sei man zu dem Schluss gekommen, dass der Anschein der Parteilichkeit entstehen könnte. Eine Begründung wie im Fall Verena Graichen führte Habeck indes nicht an.

Felix Matthes ist Forschungskoordinator für Energie- und Klimapolitik bei dem Verein Öko-Institut und mit der Grünen-Politikerin und Leiterin der Stiftung Klimaneutralität, Regine Günther, verheiratet.

Die Menge an "Fehlern" sei es nun, die zur Entlassung Graichens geführt habe, so Habeck. Um einen schweren Fehler zu verteidigen, müsse er aber sicher sein, dass die "Compliance-Brandmauer" keine Risse habe.

"Diese Risse hat sie nun. In der Gesamtschau hat sich Patrick Graichen damit zu angreifbar gemacht, um sein Amt noch wirkungsvoll ausüben zu können."

Aus diesem Grund seien Habeck und Graichen am Dienstagabend übereingekommen, dass sie die gemeinsame Arbeit nicht fortsetzen wollten. Der Bundespräsident sei gebeten worden, Graichen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen.

Anfeindung durch "rechtsextreme" und "prorussische" Accounts

Zur Begründung für die Entlassung Graichens fügte Habeck hinzu, dass sein Staatssekretär in den letzten Wochen "über das berechtigte Maß" hinaus angefeindet worden sei. Mitunter "rechtsextreme Accounts" hätten Lügen über die Familie Graichens verbreitet, die wiederum von "prorussischen Accounts" weiter gepuscht worden seien. Dies sei unerträglich, so Habeck. Politische Debatten dürften nicht so ausarten. An dieser Stelle lobte Habeck zum wiederholten Mal die aus seiner Sicht großen Leistungen Graichens für Deutschland, dankte ihm noch einmal ausdrücklich.

"Es ist eine weitrechende, schwere Entscheidung. Weitreichend für mein Haus, schwer für mich und sehr hart für Patrick Graichen."

Es gehe aber darum, so Habeck weiter, das Vertrauen in die Arbeit des Wirtschaftsministeriums als Institution zu schützen. Nun müsse zügig ein Nachfolger gefunden werden. Und das hoffentlich noch vor der parlamentarischen Sommerpause, sodass noch die Beratungen für das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) mitgeführt werden können.

Zu den aktuellen Compliance-Regeln sagte Habeck, dass man sie von der vorherigen Bundesregierung übernommen habe. Die Regeln hätten zudem stark auf "Eigenverantwortung" gesetzt. Die Debatte um Graichen zeige, dass man dieses Regelwerk noch einmal überprüfen müsse.

Auf die Frage, wie man bei dem Auswahlprozess für den Nachfolger sicherstellen wolle, dass nicht erneut der Anschein von Voreingenommenheit ensteht, antwortete Habeck, dass man Kandidaten aktiv abfragen werde. Durch die aktuelle Debatte sei laut Habeck jeder zudem automatisch gewarnt. Trotz der Lobes- und Dankesreden auf seinen bald ehemaligen Staatssekretär hat offenbar auch Habeck etwas gelernt, wie eine ironische Bemerkung zum Schluss der Pressekonferenz zeigt:

"Ich werde nicht meinen Trauzeugen als Staatssekretär berufen."

Mehr zum Thema – Zugvögel und niederländische Windkrafträder, BUND, Naturschutzbund und natürlich der Graichen-Clan

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.