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Sekundär-Sanktionen: EU sucht offenbar auch die Konfrontation mit Indien

Indien kauft große Mengen an russischem Rohöl, raffiniert es teils zu Treibstoffen und verkauft es dann mit gutem Gewinn als Diesel und Benzin weiter – unter anderem sogar in die EU. Warum auch nicht? Das treibt hierzulande allerdings die Inflation an und schädigt die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Die EU-Kommission möchte diesem normalen Verhalten des "freien Marktes" jetzt allerdings den Kampf ansagen, nur das Wie ist noch unklar.
Sekundär-Sanktionen: EU sucht offenbar auch die Konfrontation mit IndienQuelle: www.globallookpress.com © Christine Olsson

Die Sanktionen gegen Russland funktionieren nicht wie erhofft. Das geben inzwischen auch die EU-Granden zu, wenn auch nur zähneknirschend und indirekt. Denn die EU-Sanktionen werden unterwandert, ein Großteil der Länder der Welt trägt sie nicht mit und sucht nach Möglichkeiten, sie zu umgehen. Das Eingeständnis der EU, durchaus verstanden zu haben, dass ihre Sanktionen ihre schädliche Wirkung vor allem innerhalb der EU statt in Russland entfalten, ist die Tatsache, dass sie nun Drittländern mit Sekundär-Sanktionen droht. Die EU-Kommission plant, Länder und Unternehmen in Drittstaaten, die sich nicht an die antirussischen Verbote der EU halten, ebenfalls zu sanktionieren. Bisher ging man auch in der EU noch davon aus, dass derartige Sekundär-Sanktionen gegen das Völkerrecht verstoßen. 

Konkret droht nun der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Indien. Indien kauft große Mengen Rohöl aus Russland, verarbeitet es weiter und verkauft die raffinierten Produkte beispielsweise als Begehrte Treibstoffe Diesel und Benzin sogar an die Mitgliedsländer der EU weiter. Die EU-Kommission sieht ihr Reich dadurch gleich doppelt übervorteilt. Zum einen wird ihr Sanktions-Regime gegen Russland umgangen.

Denn wie aktuelle Zahlen zeigen, steigen die russischen Öl-Exporte sogar immer weiter, anstatt einzubrechen. Sie erreichten im April 2023 den höchsten Stand seit 2020. Gleichzeitig zeigen Daten aus dem April, dass der von der EU verhängte Ölpreisdeckel nicht funktioniert. Russisches Öl der Marke Urals wurde im Durchschnitt deutlich über der selbstherrlich diktierten Preisobergrenze von 60 US-Dollar je Fass verkauft. Schuld am Preisanstieg war unter anderem die angekündigte Förderkürzung der OPEC-Länder. Die OPEC sieht in diesem Versuch der Ölpreisdeckelung einen Verstoß gegen die Regeln des Welthandels. Die Mitgliedsländer der OPEC wehren sich gegen jedwedes externes Preisdiktat, da das im Zweifelsfall auch sie treffen könnte.

Mit den steigenden indischen Importen von Rohöl aus Russland und dessen Weiterverarbeitung wird somit der Plan der EU-Kommission durchkreuzt, die Einnahmen Russlands aus dem Ölgeschäft drastisch zu senken. Die EU geht davon aus, dass Russland auf ausländische Devisen angewiesen ist, um den Krieg in der Ukraine führen zu können. Gelänge es, diese Einnahmen zu minimieren, hätte das Auswirkungen auf den Verlauf des Konflikts, glaubt man in Brüssel. Die Richtigkeit dieser Annahme ist fraglich. Denn Russland bezieht seine Waffen nicht aus dem Ausland, sondern produziert sie selbst. Die Kosten dafür werden nicht mit ausländischen Devisenerlösen (aus Rohöl etwa), sondern in Rubel bezahlt. Rubel kann die russische Zentralbank jedoch (notfalls) in beliebiger Höhe selbst generieren. 

Aber noch auf einer weiteren Ebene fühlt sich die EU übervorteilt, denn durch Indien als Zwischenhändler steigen die Kosten für die EU-Importe gegenüber dem direkten Bezug aus Russland. Damit wird ganz nebenbei auch die Inflation weiter in die Höhe getrieben, die EU verliert so neben der Kostensteigerung auch an Wettbewerbsfähigkeit. 

Borrell sagte der Financial Times daher jüngst mit Blick auf Lieferungen aus Indien:

"Da Produkte aus Indien kommen und sie mit russischem Öl produziert werden, stellt das sicherlich eine Umgehung der Sanktionen dar, und die Mitgliedsstaaten müssen Maßnahmen ergreifen."

Und er führte an anderer Stelle weiter aus:

"Dass Indien russisches Öl kauft, ist normal. Und wenn Indien dank unserer Ölpreisbeschränkungen dieses Öl viel billiger kaufen kann, dann ist es umso besser, je weniger Geld Russland bekommt. Aber wenn Indien das nutzt, um zu einem Handelszentrum zu werden, in dem russisches Öl raffiniert und Nebenprodukte an uns verkauft werden … müssen wir handeln."

Unklar ist allerdings, wie die EU-Kommission nun handeln möchte. Sollte sie tatsächlich beabsichtigen, die Käufer von Ölprodukten aus Indien innerhalb der EU zu bestrafen, wie das Borrell andeutete, würde das die Preise und auch die Inflation in der EU weiter antreiben. Sollte sie Indien mit Sanktionen drohen wollen und Indien darauf mit einer Kürzung der Ausfuhren reagieren, käme es zu einer europäischen und auch weltweiten Unterversorgung und schließlich ebenfalls zu einem weiteren Preisanstieg. In diesem Fall auch global. 

Faktisch sind der EU-Kommission die Hände gebunden. Eine weitere Beschädigung der Weltwirtschaft durch die Ausweitung des EU-Sanktionsregimes wird großen Wiederspruch auslösen. Bereits jetzt sieht sich der Westen unter Druck. Der UN-Menschenrechtsrat hat Anfang April die einseitigen Sanktionen des Westens klar als völkerrechtswidrig und als einen Verstoß gegen die Menschenrechte verurteilt. Faktisch hat sich die EU durch ihr Sanktionsregime weltweit isoliert.

Mehr zum Thema – Financial Times: EU und G7 wollen Wiederaufnahme von Energieimporten aus Russland verbieten

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