Meinung

Streit um Asylbewerber: Wer soll das bezahlen?

Dieses Jahr sind die Zahlen der Asylbewerber wieder deutlich gestiegen, und aktuell streiten sich die politischen Ebenen, wer die Kosten tragen soll. Alle erklären, sie hätten kein Geld; dafür kursieren die unterschiedlichsten Vorschläge.
Streit um Asylbewerber: Wer soll das bezahlen?Quelle: www.globallookpress.com © Martin Schutt

Von Dagmar Henn

Zwischen Bund, Ländern und Kommunen kracht es augenblicklich gewaltig. Der Grund: Viele Kommunen sind durch die erneut steigende Zahl von Asylbewerbern zusammen mit den immer noch anwesenden Ukrainern überfordert und wissen nicht mehr, wie sie weitere Unterkünfte finanzieren sollen. Der Bund wiederum erklärt, er habe nach Corona und den Kosten für den Ukraine-Krieg kein Geld mehr.

Aus dem Innenministerium stammt der Vorschlag, Asylverfahren grundsätzlich nur noch an der EU-Außengrenze abzuwickeln. Das wäre natürlich eine enorme Entlastung auch für den Bundeshaushalt, weil Deutschland einzig an der Nordseeküste so etwas wie eine EU-Außengrenze aufweist, in alle anderen Richtungen aber andere EU-Länder dazwischenliegen. Genau dieser Punkt macht es allerdings auch höchst unwahrscheinlich, dass diese Idee auf europäischer Ebene durchsetzungsfähig ist – warum sollten sich Spanien, Italien und Griechenland Kosten aufbürden, die sie augenblicklich relativ leicht an Deutschland weiterreichen können?

Ein weiteres Problem besteht darin, dass die einzelnen EU-Länder durchaus unterschiedliche gesetzliche Regelungen aufweisen. Nach welchem Recht sollte dann an der Grenze verfahren werden? Nach dem des Grenzlandes oder nach dem des erwünschten Ziellandes?

Bodo Ramelow, der thüringische Ministerpräsident, machte einen Vorschlag in eine völlig andere Richtung, der nur dann schlüssig wird, wenn man die Kostenverteilung betrachtet. Er forderte, alle Asylbewerber, die bereits drei Jahre unbeanstandet hier seien, sollten pauschal anerkannt werden. Das hieße, alle Asylbewerber, die bis 2020 hier eingetroffen sind, wären anerkannt.

Damit, das ist das wirkliche Ziel Ramelows, sind die Bundesländer, die während des Verfahrens Unterkunft und Versorgung übernehmen müssen, nicht länger an der Finanzierung beteiligt, denn all diese Menschen fielen ab dem Zeitpunkt der Anerkennung ins Bürgergeld, das von Kommunen und Bund finanziert wird. Die sich dementsprechend beide dagegen zur Wehr setzen dürften.

Ohnehin muss man sagen, dass allein die Tatsache, dass ein solcher Vorschlag auftaucht, darauf hinweist, dass es eine nennenswerte Zahl von Personen sein muss, deren Verfahren nach sieben Jahren immer noch nicht abgeschlossen ist; sonst würde sich diese Idee für das Land Thüringen nicht lohnen. Allerdings würde die Verbindung der offenen Grenzen der Jahre 2014/15 mit einer pauschalen Anerkennung immer noch das gesamte, jahrelange Verfahren zu einer Farce machen. Und sie würde für die Zukunft das Problem der Gleichbehandlung hinterlassen. Denn eines ist sicher – der Erste, der einen Tag zu spät eingetroffen ist, wird mit genau diesem Argument auf sofortige Anerkennung klagen.

Das Hauptargument des Bundes, warum er den Kommunen die Übernahme eines höheren Kostenanteils verweigert, ist, dass schließlich auch die Ausgaben "zur Bekämpfung von Fluchtursachen" Teil des Bundeshaushalts sind, was aus den tatsächlich für Flüchtlinge vom Bund aufgebrachten 3,7 Milliarden gleich 27 Milliarden macht. Würde man die Frage der Fluchtursachen ehrlich betrachten, dann müsste dieser Haushaltsposten den Titel "Eindämmung der Folgen deutscher Außenpolitik" tragen. Schließlich war beispielsweise die Flüchtlingswelle 2014 die Konsequenz aus einer Halbierung der Beiträge der EU-Länder an das UN-Flüchtlingshilfswerk gewesen, das daraufhin die Ernährung syrischer Flüchtlinge in der Türkei hatte halbieren müssen. Es ließe sich mit gutem Grund argumentieren, dass die Folgen außenpolitischer Fehlentscheidungen, wenn sie schon nicht unterlassen werden, haushaltspolitisch Bundesaufgabe sind und bleiben müssen.

Wenn man betrachtet, was im Verlauf des letzten Jahres als Fluchtursachen geschaffen wurde, fallen sofort die Folgen der Sanktionspolitik ins Auge. Die steigenden Lebensmittel- und Energiepreise verursachen vielerorts Hunger; aber wie die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) festhielt, ging die Hälfte dieser Preissteigerungen als Spekulationsgewinn in die Taschen großer Händler. Die einfachste Form der Fluchtursachenbekämpfung wäre die Aufhebung der Sanktionen; ein Schritt, der auch gegenüber Syrien, aus dem nach wie vor viele der aktuellen Asylbewerber kommen, jederzeit möglich wäre. Derartige Fluchtursachen werden aber nicht mit Milliarden bekämpft, sondern vielmehr mit Milliarden geschaffen.

Die Erfahrung belegt, dass sich bei Auseinandersetzungen um Kostenverteilungen meist der Stärkere durchsetzt; sprich, eine Regelung, die zulasten der Kommunen geht, ist am wahrscheinlichsten. Das ändert sich erst in dem Moment, wenn die Kommunen tatsächlich in Ermangelung von Mitteln nicht mehr arbeitsfähig sind. Davor wird sich dieser Streit noch länger hinziehen.

Wie die Folgen aussähen, wenn die Habeck-Heizung und die EU-Beschlüsse dazu angewandt würden, mag man sich nicht vorstellen; eine weitere künstliche Verknappung von Wohnraum wäre schon unter den jetzigen Gegebenheiten katastrophal. Es gibt allerdings zwei Faktoren, die unabhängig vom Handeln der unterschiedlichen politischen Ebenen das Problem lösbar machen könnten. Zum einen die fortschreitende wirtschaftliche Abkopplung vieler armer Länder vom Westen, die eine echte Entwicklung ermöglichen könnte und durch das Entstehen einer wirtschaftlichen Perspektive für die Ursprungsländer die Motivation zur Migration kappt. Und zum anderen der zunehmende ökonomische Verfall Europas, der die Attraktivität des Migrationsziels massiv verringert.

Die deutsche Debatte jedenfalls dürfte vor allem Unterhaltungswert haben. Nicht der Vorschlag Ramelows, mit dem er sich ziemlich unbeliebt machen dürfte, weil er übersieht, dass die Existenz des Verfahrens Voraussetzung für die noch vorhandene Akzeptanz ist. Aber beispielsweise die Gegenwehr der Grünen, Länder wie Georgien oder Moldawien auf die Liste der sicheren Herkunftsländer zu setzen.

Omid Nouripour sagte sogleich etwas von "gravierenden Menschenrechtsverletzungen"; dabei übersehend, dass seine Partei ansonsten beide Länder am liebsten morgen in die EU aufnehmen würde. Womit sie nicht allein wären, die baltischen Länder stehen im Hinblick auf Menschenrechte, die ja auch den russischstämmigen Einwohnern zustehen, ebenfalls alles andere als gut da. Sie sind dennoch nicht nur in der EU, sondern werden sogar – insbesondere von Nouripour und seiner Partei – als die Zwergstaaten, die sie sind, überproportional ernst genommen.

Immerhin, dank ihrer gewaltigen Bemühungen um die ökonomische Zerstörung Deutschlands dürften sich, ganz unabhängig von ihrer Rhetorik, am Ende die Grünen als diejenigen erweisen, die das Migrationsproblem in Deutschland lösen. Durch Abschreckung.

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