Meinung

Danke den Befreiern, Dank der Ukraine – der deutsche Geschichtsrevisionismus

Hier in Russland waren an diesem Montag und Dienstag Feiertage. Der 9. Mai ist einer der wichtigsten Feiertage im russischen Jahr. Man begeht nicht nur das Ende des Zweiten Weltkrieges, sondern feiert den Sieg über den Faschismus. Man macht an diesem Tag mit Geschichte das, wozu sie da ist: Man erzählt sie, hält sie in Erinnerung und gibt sie so an die nächste Generation weiter.
Danke den Befreiern, Dank der Ukraine – der deutsche GeschichtsrevisionismusQuelle: www.globallookpress.com © IMAGO/Felix Zahn/photothek.net

Von Gert Ewen Ungar

Wenn man in Russland von traditionellen Werten spricht, die es zu schützen, die es gegen den westlichen Liberalismus zu verteidigen gilt, dann ist das Andenken an den Großen Vaterländischen Krieg einer davon. Wichtig ist für Russland auch, wie man den Tag in anderen Ländern begeht, und ein besonderes Augenmerk ist dabei aus ganz naheliegenden Gründen auf Deutschland gerichtet.

Russische Politiker haben schon seit langem den Verdacht, dass man im Westen die Geschichte umschreiben möchte. Der Verdacht hat sich an den gerade vergangenen Gedenktagen nicht nur verstärkt, sondern bestätigt. Die Art und Weise, wie Russland als juristischer Nachfolger der Sowjetunion im Rahmen der Feierlichkeiten von Deutschland behandelt wurde, war von einer Unanständigkeit, war in einer Weise schäbig, für die man sich als Deutscher nur schämen kann und schämen sollte.

Es fing schon im Vorfeld an. Da schrieben 141 Bundestagsabgeordnete einen offenen Brief an den russischen Botschafter in Deutschland und verlangten von ihm, dass er sich von der russischen Justiz distanzieren und die Korrektur eines Gerichtsurteils verlangen solle, das reaktionäre deutsche Politiker als ungerecht empfinden.

Das Heucheln deutscher Abgeordneter

Dass der Blick deutscher Abgeordneter auf die Rechtsprechung in anderen Ländern interessengeleitet und keineswegs neutral ist, beweist der Umgang mit Julian Assange und der britischen Justiz. Das geht dem gemeinen deutschen Abgeordneten, der sich über Urteile in Russland, Iran und China echauffiert, nämlich am Arsch vorbei. Auch die Existenz eines US-Folterlagers, in dem seit über 20 Jahren Menschen an jedem Gesetz vorbei und unter Missachtung auch nur der rudimentärsten Form von Rechtsstaatlichkeit interniert sind, ist den Unterzeichnern des offenen Briefs an den russischen Botschafter absolut schnuppe. Es geht ihnen nicht um Recht und Gerechtigkeit. Es geht ihnen um Eskalation und die Demontage des deutsch-russischen Verhältnisses.

Vor dem Hintergrund, was im Westen passiert, wirkt russische Jurisdiktion übrigens wie ein Leuchtfeuer der Rechtsstaatlichkeit. Der deutsche Abgeordnetenprotest jedenfalls ist absolut geheuchelt und in seinem Anliegen völlig unglaubwürdig. Von einem Botschafter zu verlangen, er solle sich von seinem Land, seiner Regierung und seinem juristischen System distanzieren, die deutsche Position übernehmen und sie zu Hause vertreten, ist zudem eine absolute Provokation. Dies in einem offenen Brief zu fordern, ist der reine Populismus.

Die deutschen Abgeordneten wissen, dass ihre Forderung ein Botschafter gleich welchen Landes nicht erfüllen kann. Er vertritt sein Land im Ausland, nicht die Ansichten ausländischer Parlamentarier in seinem Heimatland. Er ist Mittler und kein politischer Aktivist. Dass sie es dennoch und auch noch in der Öffentlichkeit tun, bezeugt ihren Willen, die Meinung der Deutschen für ihre Zwecke einer Zerstörung des deutsch-russischen Verhältnisses zu instrumentalisieren. Es ist schlicht eine Schweinerei, was die 141 Abgeordneten angezettelt haben, und zeugt von absoluter politischer Verrohung. Man sollte sich ihre Namen merken. Diese Abgeordneten sind unseriös und bereit, sich für jeden Dreck herzugeben.

Dank an die Befreier, Dank der Ukraine

Das allerdings ist nur die Vorgeschichte. Der russische Botschafter wurde vor den Feierlichkeiten zum Kriegsende ins Aus gestellt.

In einem Tweet erklärt die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen) Deutschland habe eine besondere Verantwortung gegenüber der Ukraine. Die hat nämlich nach Auffassung von Göring-Eckardt unter Inkaufnahme von 8 Millionen Toten Deutschland vom Faschismus befreit. Man liest es und ist erstaunt.

Die Absicht, die Geschichte umschreiben zu wollen, ist offenkundig. Das Verdienst der Völker der Sowjetunion beim Kampf gegen den Faschismus soll ausgelöscht werden. Russland als der juristische Nachfolger der Sowjetunion, in dem eine tief in der Gesellschaft verwurzelte antifaschistische Kultur existiert, gepflegt und seit achtzig Jahren von Generation zu Generation weitergegeben wird, soll vom Andenken an den Sieg über den Faschismus ausgeschlossen werden. Von welcher Niedertracht muss man beseelt sein, um sich für ein unter ethischen Gesichtspunkten derart böses Projekt stark zu machen?

Man kann sich auch für Göring-Eckardt nur schämen. Sie verdient volle Verachtung. Aber sie ist freilich nicht allein.
In der Berliner Neuen Wache gedachte der frisch gekürte Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner gemeinsam mit Tobias Lindner, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, und dem ukrainischen Botschafter Aleksei Makejew des Endes vom Zweiten Weltkrieg und dessen Opfer. Der russische Botschafter war nicht eingeladen. Da steht es, das Trio der deutschen Schande und heuchelt Demut. Wie moralisch verroht und verrottet kann man sein, frage ich erneut. Wie kann man die Feierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkrieges in dieser niederträchtigen Weise schänden?

Deutsche Politik betreibt Geschichtsrevisionismus

Die russische Botschaft bewies Anstand und lud trotz all der Affronts unter anderem die Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien zum Empfang in die Botschaft. Gefolgt sind der Einladung der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, Alexander Gauland, Tino Chrupalla (beide AfD), Klaus Ernst (Die Linke) und der letzte Staatsratsvorsitzende der DDR Egon Krenz. Die deutschen Medien empörten sich. Man geht nämlich nicht in die russische Botschaft, um der Opfer des Zweiten Weltkriegs zu gedenken. Die Verlogenheit der deutschen Presse passt zur Verlogenheit der deutschen Politik. 

In Russland weiß man die Vorgänge gut einzuordnen. Die Ukraine ist ein faschistisches Land, das von Deutschland unterstützt wird. Deutschland leugnet die Zeugnisse des Faschismus und breitet über die Verbrechen der Ukraine nicht nur den Mantel des Schweigens, sondern unterstützt den dortigen Nationalismus und instrumentalisiert ihn für geopolitische Zwecke. Es ist zudem bestrebt, die Geschichte umzuschreiben, um die eigene Schuld zu relativieren.

Was am 8. und 9. Mai in diesem Jahr passiert ist, ist ein absoluter Skandal. Geschichtsrevisionismus in seiner reinen Form und damit eine zum Himmel stinkende Schweinerei des deutschen politischen und medialen Establishments. Man kann sich nur schämen und mit Ekel abwenden. Ich jedenfalls schäme mich für das Land meiner Herkunft zutiefst.

Mehr zum Thema - "Wer Grün wählt, wählt den Krieg!" – Göring-Eckardt erteilt Ordnungsruf für Zeigen eines Aufklebers

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog "neulandrebellen".

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.