Meinung

Polnische Komplizenschaft bei der Sprengung von Nord Stream – Hintergründe der Medienstory

Die jüngste Entwicklung in der diesbezüglichen Berichterstattung soll von der Komplizenschaft der USA ablenken, zugleich die ehemalige polnische Regierung diskreditieren und den Druck auf Selenskij erhöhen, da der Ukraine-Konflikt nun allmählich ausklingt.
Polnische Komplizenschaft bei der Sprengung von Nord Stream – Hintergründe der MedienstoryQuelle: Legion-media.ru © Danish Defence @ legion-media.ru

Von Andrew Korybko

Das Wall Street Journal (WSJ) titelte am Dienstag "Nord-Stream-Untersuchung durch polnischen Widerstand behindert". Es beruft sich dabei auf nicht namentlich genannte europäische Ermittler, die sagten, dass ihre polnischen Kollegen nicht bereit oder nicht in der Lage waren zu kooperieren und manchmal widersprüchliche Informationen weitergaben, wenn sie es dann doch einmal taten. Den Quellen des WSJ zufolge hätten "die Bemühungen polnischer Beamter, die Ermittlungen zu behindern, sie zunehmend misstrauisch gegenüber Warschaus Rolle und Motiven gemacht".

Das WSJ war das erste Medium, das im letzten Sommer darüber berichtete, dass eine ukrainische Sabotagecrew, die nach Ansicht westlicher Beamter für den auch ökologisch verheerenden Terroranschlag im September 2022 in der Ostsee verantwortlich war, in einem polnischen Hafen angelegt hatte. Es war hier jedoch bereits analysiert worden, dass dies nur ein Ablenkungsmanöver war, um von der Komplizenschaft der USA abzulenken. Der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalist Seymour Hersh zitierte im vergangenen Februar seine ungenannten Quellen bei der US-Regierung, um diese zu beschuldigen, diesen Angriff ausgeführt zu haben. Russland stimmte dem zu, während man in Washington, D.C. dies bestritt, wie zu erwarten war.

Der jüngst veröffentlichte Bericht dieses Blattes scheint darauf ausgerichtet zu sein, erzählerisch dasselbe Ziel anzusteuern wie die frühere oben erwähnte Meldung, diesmal jedoch mit dem Hinweis auf ein größeres Maß an Vertrauen, dass polnische Beamte möglicherweise auch "ohne Wissen der politischen Führung" an dem Geschehen beteiligt gewesen sein könnten. Sie hoffen, dass die Rückkehr des europafreundlichen polnischen Premierministers Donald Tusk jene Beamten, die unter politischem Druck der früheren Regierung gestanden haben könnten, dazu bewegen wird, bei den weiteren Ermittlungen zu kooperieren.

Das Problem ist jedoch, dass "Tusk wenige Tage nach seinem Amtsantritt die führenden Köpfe aller Nachrichtendienste entlassen hat, einschließlich derer, die an der Nord-Stream-Untersuchung beteiligt waren". Diese Säuberung des geheimdienstlichen Flügels der permanenten Verwaltungsstruktur seines Landes blieb von den westlichen Medien weitgehend unbeachtet, hätte aber sicherlich für Schlagzeilen gesorgt, wenn ein multipolar auf Souveränität ausgerichteter konservativer Regierungschef dasselbe getan hätte und nicht ein unipolar und liberal-globalistischer wie Tusk. In jedem Fall führt dies zu weiteren Komplikationen bei den Ermittlungen.

Nichtsdestotrotz sollten Beobachter nicht die Tatsache aus den Augen verlieren, dass der russische Präsident Putin Ende letzten Monats seine Überzeugung bekräftigt hat, "dies wurde höchstwahrscheinlich von den Amerikanern oder jemandem auf deren Anweisung hin getan". Der jüngste Bericht des WSJ lenkt von der Komplizenschaft des eigenen Landes wieder ab, indem die Theorie gestützt wird, eine abtrünnige ukrainische Sabotagegruppe wäre dafür verantwortlich, und darauf aufbauend wird auch Polen eine Mitschuld unterstellt. Dieser jüngste Dreh in der Geschichte dient jedoch nur dazu, in einem politisch günstigen Moment zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Erstens wird suggeriert, dass die frühere polnische Regierung, mit der Tusk derzeit wegen seiner liberal-totalitären Politik gegenüber den Medien und der illegalen Einwanderung eine heftige Fehde führt, zumindest kriminell fahrlässig gehandelt habe, als sie den größten Sabotageakt auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg nicht verhindern half. Schlimmstenfalls war sie angeblich mitschuldig an diesem Anschlag, von dem die inoffizielle westliche Erzählung des vergangenen Jahres behauptet, er sei von abtrünnigen Ukrainern ohne Selenskijs Wissen ausgeführt worden.

Das führt zu der zweiten, mit derselben Klappe erschlagenen Fliege, indem es die Öffentlichkeit daran erinnert, dass auch er möglicherweise kriminell fahrlässig gehandelt hatte. Schließlich hätte Selenskij dann seine eigenen Truppen nicht kontrolliert oder bestraft, nachdem im vergangenen Jahr Berichte aufgetaucht waren, in denen behauptet wurde, dass bestimmte Personen in irgendeiner Weise beteiligt waren. Das Timing könnte für Selenskij kaum schlechter sein, da sich das westliche Narrativ noch stärker gegen die Interessen seines Landes verschiebt, wie dies hier dokumentiert und hier näher erläutert wurde.

Jetzt ist also Tusk am Ball. Er kann entweder mitspielen, wenn es darum geht, seine politischen Gegner zu beschuldigen und so sein Ziel voranzutreiben, die Beziehungen zu der von Deutschland geführten EU zu verbessern. Oder er kann diese beiden Gelegenheiten aus Solidarität mit Selenskij verstreichen lassen, wie er und der ins Amt zurückgekehrte Außenminister Radosław Sikorski es letzten Monat versprochen haben. Im ersten Fall würde Tusk die innen- und europapolitischen Ziele seiner Regierung auf Kosten der ukrainischen Ziele vorantreiben, während im zweiten Fall Letztere auf Kosten der Ersteren gehen würden.

Es bleibt unklar, was Tusk letztendlich tun wird. Aber niemand sollte vergessen, dass diese jüngste Entwicklung darauf abzielt, von der US-Komplizenschaft abzulenken und gleichzeitig die frühere polnische Regierung zu diskreditieren sowie den Druck auf Selenskij zu erhöhen, während der Ukraine-Konflikt endgültig beginnt auszuklingen. Wenn man den Zeitpunkt des jüngsten Berichts im WSJ in den richtigen Kontext stellt, ergibt er viel mehr Sinn. Dies wird hoffentlich mehr Menschen von den eigennützigen politischen Gründen hinter dieser inoffiziellen westlichen Theorie überzeugen.

Übersetzt aus dem Englischen

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.

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