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Alexander Dugin im Gespräch mit RT: Der Westen muss sich mit seiner Reprovinzialisierung abfinden

Im Westen nahezu ausschließlich diffamiert, äußert sich Alexander Dugin im RT-Interview zu Fragen rund um den Krieg in der Ukraine. Dabei zeigt der russische Philosoph Perspektiven auf, die weit über das aktuelle Kriegsgeschehen hinausweisen.

Der russische Philosoph Alexander Dugin, Vater der im Sommer 2022 ermordeten Journalistin und Aktivistin Darja Dugina, skizziert im Interview mit dem RT-Korrespondenten Donald Courter seine Vorstellungen von der Zukunft Russlands und des eurasischen Raumes.

Hierbei spannt Dugin ein breites Themenfeld auf: angefangen mit dem Zusammenbruch der UdSSR, für den er die damalige sowjetische Führung verantwortlich macht, über das politische System Chinas und die Folgen des Ukraine-Krieges bis hin zu der Ansicht, dass – im Unterschied zur sowjetischen Auffassung – ein idealistisches Herangehen auch den Schlüssel für die Lösung von Wirtschaftsfragen liefere.

Geopolitik

Dugin sieht die UdSSR in einem prinzipiellen Gegensatz:

"Wir müssen zuerst verstehen, dass die Sowjetunion zwar nicht eine ideologische, aber eine geopolitische Fortsetzung des Russischen Reiches war. Sie hatte grundlegend andere Werte und Ideen, aber als eine geopolitische Realität, als das Heartland, als die eurasische Landmasse in der Vorstellung von Klassikern der Geopolitik wie [Halford] Mackinder oder [Zbigniew] Brzeziński, war die Sowjetunion eine direkte Fortsetzung und Verkörperung der Landmacht, dem Widersacher der Seemacht. In diesem Sinne war sie eine der zwei wesentlichen geopolitischen Konfliktparteien."

Dem liberalen Globalismus sei ein kultureller Rassismus eigen, denn er wolle anderen Kulturen vorschreiben, wie sie zu leben hätten:

"Die Chinesen können selbst bestimmen, welches Regime oder System zu ihnen passt, nicht irgendwelche liberalen Ideologen oder Aktivisten der Open Society Foundation. Und das ist das Grundprinzip von wahrer Demokratie auf internationaler Ebene."

Tradition und Gerechtigkeit

Allerdings ist, davon zeigt sich Dugin überzeugt, eine Wiederherstellung der Sowjetunion für Russland weder möglich noch zu wünschen. Denn der sowjetische Dogmatismus sei "inakzeptabel".

Vielmehr plädiert Dugin für eine kluge Kombination von Traditionalismus und sozialer Gerechtigkeit. Russland müsse sich von der westlichen Moderne lösen und wieder seine eigene, russische Tradition erforschen: etwa die Slawophilen, das Denken Dostojewskis oder das orthodoxe Christentum. Dugin wendet sich gleichermaßen gegen Liberalismus, Globalismus, Dogmatismus, Kommunismus und Faschismus, deren Ursprünge er allesamt im Westen verortet.

Im letzten Dekret des russischen Präsidenten über die traditionellen Werte sei als wichtigster Aspekt die Vorherrschaft des Geistes über die Materie bezeichnet worden. In diesem Sinne müsse man sich von der "wirtschaftlichen Besessenheit" lösen. "Das ist der einzige Weg zur Genesung der Wirtschaft."

Multipolarität

Dugin sieht – wie viele andere Beobachter der Gegenwart – eine multipolare Welt im Entstehen.

"Der Westen benimmt sich aber so, als würde er noch immer in der bipolaren Welt des Kalten Krieges leben und sieht Russland als den Erben der Sowjetunion an, der bekämpft werden muss. Das bipolare Weltbild wird also durch eine Art Trägheit fortgesetzt. Momentan entsteht eine Multipolarität, ein anderes System. Es geht nicht mehr um den Kampf der einen Ideologie gegen die andere, um den einen Pol gegen den anderen."

Der Westen wolle jedoch die sich herausbildende Multipolarität nicht akzeptieren, weil diese das Ende des unipolaren Systems bedeute. Russland, so Dugin, kämpfe im Ukraine-Krieg auch für die anderen Pole der sich anbahnenden neuen Weltordnung. Der Westen müsse lernen hinzunehmen, dass er künftig bloß eine Provinz in einem multipolaren System darstellen werde – und nicht mehr den Mittelpunkt einer unipolaren Welt. Dugin wendet sich gegen westlichen Universalismus und tritt für die Vielfalt koexistierender Kulturen und Zivilisationen ein.

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